Die Rolle von Vorbildern in der Sozialen Arbeit
Vorbilder spielen im Leben jedes Einzelnen eine mehr oder weniger dominierende Rolle. Während sich die einen im nahen Umfeld an ihren Großeltern, Eltern und Geschwistern orientieren, werden andere vom Glamour-Image von Musikern, prominenten Sportlern oder Fernsehstars gefangen. Welche Faszination von Vorbildern ausgeht, kann ganz unterschiedlich sein. Es reicht vom Aussehen, einem exorbitanten Verdienstmöglichkeiten, tollen Rekorden, revolutionären Erfindungen, außergewöhnlichen Fähigkeiten und nachahmenswerten Charakteren über den freundschaftlichen Umgang mit anderen Menschen, beruflichen Werdegängen, Zielen und Lebensprinzipien bis hin zu einer individuellen Lebensphilosophie, besonderen Karrieren, (finanziellem) Reichtum oder zur Rebellion gegen die Missstände der Gesellschaft.
Doch nicht nur Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens schweben als Vorbilder über uns, sondern auch „Normalos“ wie Familienmitglieder, Verwandte, Freunde oder Vereinskameraden, die ihrer ganz eigenen Art und Weise ihr Leben gestalten. In der Sozialen Arbeit nehmen Sozialpädagogen, Schulsozialarbeiter, Heilerziehungspfleger, Streetworker oder Jugendgruppenleiter, aber auch Lehrer und Erzieher eine Vorbildfunktion ein. Doch was bedeutet es, Vorbild zu sein und die Verantwortung unter dem Blickwinkel zu tragen, dass insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Verhaltensweisen, Sozialverhalten oder das äußere Erscheinungsbild ihrer Vorbilder zu kopieren und gleichzeitig ihr eigenes Wesen in den Hintergrund schieben?
Sozialarbeiter als Leitfigur?
Die Erwartungen an einen Sozialarbeiter, egal ob in der Familienhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, in der Suchtprävention, der Jugendgerichtshilfe oder beim Allgemeinen Sozialen Dienst, sind häufig sehr hoch. Vom Retter in allen Lebenslagen werden nicht nur fachkundige Beratung, besondere Empathie, emotionale Nähe, wirksame Hilfeangebote und punktgenaue Problemlösungen erwartet, sondern auch Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft und ein gewisses Draufgängertum vorausgesetzt. Zudem werden bei Sozialprofis zerrüttete Familienverhältnisse, Drogenkonsum, Kindeswohlgefährdung oder psychosoziale Problemlagen nahezu für unmöglich gehalten.
Erzieher gelten schlechthin als Superpädagogen, die nicht nur Kinder bestens betreuen, sondern auch mehrere Instrumente spielen, Fremdsprachen beherrschen, klettern, stricken und Fußball spielen, schnitzen, kochen, Schlaflieder singen, trösten, eine ansprechende Erscheinung sind und gut riechen anstatt nach Zigarettenrauch zu müffeln. Dabei kommt es Mädchen und Jungen meist gar nicht auf das „Gesamtpaket“ an, sondern eine typische Eigenschaft oder Fähigkeit kann für eine Vorbildrolle oder kindliche Schwärmereien ausreichen.
Jugendleiter begleiten i.d.R. Ferienfreizeiten von Jugendämtern, Vereinen und Verbänden. Sie sind jung und ihre Jugendleitercard-Ausbildung (auch Juleica) liegt noch nicht lange zurück. Somit ist es fast folgerichtig, dass Jugendleiter von Kindern und Teenies nicht nur wegen ihrer fachlichen Qualitäten, sondern wegen ihres Aussehens, Kleidung, ihrer Tattoos, coolen Auftretens oder Charakterstärke angehimmelt werden. Aber sind sie deswegen auch Vorbilder? Ja. Und gerade deshalb ist auch die Personalauswahl der Freizeitbetreuer durch die Jugendämter, Vereine und Verbände so wichtig. Für das Image von Trägern sind Zwischenfälle wie z. B. Aufsichtspflichtverletzungen bei Ferienfreizeiten durch Versäumnisse der Betreuer mehr als schädlich.
Sozialarbeiter zwischen Desperado und Realität
Auch wenn die Welt davon träumt: Den perfekten Menschen gibt es (leider oder glücklicherweise?) nicht. Bedeutet: Auch wenn Sozialarbeiter erstklassig ausgebildet und in ihrer täglichen Arbeit auf reichlich Berufserfahrung zurück greifen können, werden sie dennoch vom Leben und ihrer Umwelt geprägt. Sie sind weder makellos noch gegen menschliche Laster wie Rauchen und Alkohol gefeit. Ein absolutes No-Go in der Sozialen Arbeit sollte allerdings jede Art von Kriminalität (z. B. Bestechlichkeit, Erpressung, Kindeswohlgefährdung und Gewalt) sein.
Leider bietet auch eine soziale Ausbildung keine Gewähr für herausragende soziale Kompetenzen, außergewöhnliche Konflikt- und Problemlösungsstrategien, sozialpädagogisches Gespür oder kompromissloses Netzwerke(l)n. Nichtsdestotrotz haben sich Sozialarbeiter mit ihrer Berufswahl dafür entschieden, mit problembelasteten Menschen zu arbeiten, sich mit deren schwierigen Lebenssituationen auseinander zu setzen, eine breite Palette von Unterstützungsmöglichkeiten für ihre Klienten auszuschöpfen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und dabei mit gutem Beispiel voran zu gehen. Und so sind wir davon überzeugt, dass soziale Fachkräfte langfristig erfolgreicher arbeiten können, wenn sie sich an diesem Leitfaden orientieren.
Wenn falsche Leitfiguren verehrt werden
Lassen wir den Sozialarbeiter als Person hier mal beiseite. Wenn sich Kinder und Jugendliche an falsche Vorbilder klammern und kritische Auseinandersetzungen scheuen, haben Eltern, Lehrer und Sozialpädagogen oft schlechte Karten. So sollten Musiker mit ihrer Stimme und ihrem Können an Instrumenten punkten, nicht aber mit exzessiven Drogenkonsum und unzähligen Affären. Sportler können ihr Können durch herausragende Leistungen zum richtigen Zeitpunkt, Teamgeist, Zielstrebigkeit und Fairness beweisen, nicht aber durch Doping, Fouls oder sonstiges unsportliches Verhalten.
Im unmittelbaren Umfeld von Kindern und Jugendlichen spielen oft Anerkennung, der Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer Clique und Coolness eine zentrale Rolle. So kann die Aufnahme in eine Gang davon abhängen, ob die Betreffenden zum Rauchen, dem Konsumieren von Drogen oder gefährlichen Mutproben bereit sind. Auch das Tragen verbotener Bekleidung, die Teilnahme an Demonstrationen oder die Bedrohung von Mitmenschen wird dazu benutzt, vorzugsweise labilen Heranwachsenden andere Meinungen aufzuzwingen oder sich deren „Loyalität“ zu sichern. Erst wenn beim vermeintlichen Vorbild der sprichwörtliche Lack ab ist, tritt die eigene Lebenssituation wieder in den Vordergrund. Zudem stellt sich dann die Frage, was die Begeisterung für dieses Vorbild ursprünglich ausgelöst hat, warum die Begeisterung verflogen ist und schließlich ganz andere (reale) Eigenschaften und Motive zur wirklichen Triebfeder unserer individuellen Entwicklung werden.
Gefährlich wird es immer dann, wenn sich Heranwachsende von falschen Personen und Idealen leiten lassen anstatt den eigenen Stärken und Motiven zu vertrauen.
FAZIT:
Vorbilder können unser Leben bereichern und positiv wie negativ verändern. Auch Sozialarbeiter sind Vorbild für unsere Kinder und Jugendlichen. Ihnen Hilfestellung zu geben, eine verlässliche Stütze zu sein, Werte und Normen zu vermitteln und sie bei der Suche nach wirklichen Idealen zu lenken, sind einige ihrer Aufgaben.
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