Wenn Fachkräfte fehlen – Langzeitarbeitslose als Helfer in Kindertagesstätten?

Bei den Kindergarten- und Krippenplätzen herrscht ebenso akute Knappheit wie bei geeigneten Fachkräften. Diese neben dem Erzieher-Streik höchst öffentlichkeitswirksamen Dauerbrennerthemen führten bereits zu Projektideen wie „Mehr Männer in Kitas“ oder „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas„.

bildung

Während in Bayern bereits 2011 arbeitslose Lehrer als Kinderpfleger eingestellt und nach einem halben Jahr Weiterbildung den Erzieher-Status erlangen konnten, hat 2012 auch die Bundesagentur für Arbeit mit ihrem Plan für Schlagzeilen gesorgt, 5.000 Hartz-IV-Empfänger zu Erziehern umzuschulen.

Während viele nicht nur die Sinnhaftigkeit solcher Vorhaben bezweifeln, ist auch die Finanzierung derartiger Umschulungen meist problematisch. Die Bundesarbeitsagentur darf nur 2-jährige Umschulungen finanzieren, wohingegen die Ausbildung zum Erzieher in Vollzeit in Abhängigkeit von Bundesland und Ausbildungsträger zwischen 2 und 4 Jahren dauert.

Nach Abschluss der Umschulung stehen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt dann besonders gut, wenn die Bewerber Vollzeit arbeiten können, da in diesem Bereich bereits viele Beschäftigte mit reduzierter Stundenanzahl tätig sind.

Die Entscheidung für den Erzieherberuf steht und fällt allerdings nicht mit der derzeitigen Personalknappheit und den ausgezeichneten Chancen für Berufseinstieg oder einer festen Stelle. Eine zentrale Rolle spielt die persönliche Eignung (Grundvoraussetzungen) und die individuelle Motivation, um eine Erzieherausbildung erfolgreich zu absolvieren, den Beruf engagiert auszuüben sowie eigene Stärken und Visionen einzubringen.

Erzieher und unbesetzte Stellen – Folgen des aktuellen Berufsbildes?

Fachkräfte

Neben dem Mangel an Fachkräften und Betreuungsplätzen gibt es noch ein weiteres Problem: Erzieher und Träger passen nicht immer zueinander.

Die Gründe sind ganz unterschiedlicher Natur: So lohnt es sich etwa bei Teilzeit-Arbeitsplätzen finanziell nicht, größere Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsort in Kauf zu nehmen. Kirchliche Träger setzen bei ihrem Personal meist spezielle Anforderungen an die Konfession und Lebenseinstellung voraus, die viele nicht erfüllen können oder wollen. Auch Zusatzqualifikationen wie das Spielen eines Musikinstruments, Kenntnisse in der Freizeit- und Erlebnispädagogik oder bestimmte handwerkliche Fähigkeiten können nicht von heute auf morgen erworben werden.

Folge: Ausgebildete Erzieher bewerben sich in anderen (sozialen) Berufsfeldern und sind meist dauerhaft für die Kindertagesstätten verloren.

Der Erzieherberuf – egal ob Traum oder Albtraum – hat ein Imageproblem!

Arbeitslose in Kitas – für und wider

Vorab sei gesagt, dass wir Langzeitarbeitslose weder beurteilen, diskreditieren, Fähigkeiten absprechen oder angreifen, sondern das Thema inhaltlich bearbeiten wollen, zu dem wir jetzt zurückkommen.

Grundsätzlich sind wir sehr dafür, für die Lösung von aktuell brennenden Problemen von ausgetretenen Pfaden abzuweichen, diese durch unkonventionelle Methoden zu ersetzen und auch Gegnern von Projekten und Ideen mit fundierter Argumentation den Wind aus den Segeln zu nehmen!

Daher stellt sich die Frage, ob uns der Einsatz von Langzeitarbeitslosen in Kindertagesstätten wirklich weiter bringt oder er uns nur den Blick für die Kernprobleme verkleistert?

Für den Einsatz von Langzeitarbeitslosen in Kindertagesstätten (und Alten- oder Pflegeheimen) spricht, dass der personelle Bedarf in sozialen Einrichtungen enorm ist und die bisher vom Hartz IV-Bezug Betroffenen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wechseln.

Dagegen spricht zweifellos, dass wir in Kindertagesstätten vorrangig für den Erzieherberuf pädagogisch geeignetes und qualifiziertes Personal benötigen, das den gestellten Bildungsauftrag mit all seinen vielen Facetten erfüllen kann.

Was bewirken also Langzeitarbeitslose in sozialen Einrichtungen? Geeignete und vor allem interessierte Hartz-IV-Bezieher können in Kindergärten, Horten oder Alten- und Pflegeheimen die Aufgaben erledigen, die durch das Fachpersonal aufgrund ihrer Arbeitslast meist unerledigt bleiben würden oder nur mit Abstrichen leistbar wären – Fahrdienste, Besorgungen, Pflegearbeiten sowie die Unterstützung bei der Essensversorgung, beim Wäschewechsel, bei Veranstaltungen, Projekttagen und Fahrten. Damit sind Erzieher weitgehend frei von zeitfressenden Nebenarbeiten und könnten sich mehr auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Ein schöner Gedanke, oder?

Doch Vorsicht: Sind die Aushilfskräfte erst einmal zugewiesen, könnte mancher Träger in die Versuchung kommen, aus Kostengründen Personalstellen von Erziehern zu ersetzen und damit an der Qualität zu sparen. Unter diesem Blickwinkel ist es von Vorteil, wenn sich Eltern und Familienangehörige mit sachlicher Argumentation in derartige Prozesse einmischen!

Diskussionsgrundlage ESF-Bundesprogramm

Basis all dieser Überlegungen ist eine Förderrichtlinie zum ESF-Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter (SGB II) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vom 19. November 2014, auf dessen Basis das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Zuwendungen an Jobcenter für die berufliche Eingliederung von langzeitarbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in den Arbeitsmarkt gewähren kann.

Zielgruppe sind insbesondere Menschen, die seit mindestens 2 Jahren ohne Unterbrechung arbeitslos sind, das 35. Lebensjahr vollendet haben, über keinen oder keinen verwertbaren Berufsabschluss verfügen und voraussichtlich nicht in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.

Aus dem ESF-Programm können z. B. Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber, ein intensives Coaching der Teilnehmer zur Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses sowie Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb von Grund- und Schlüsselkompetenzen (soziale Kompetenzen) gefördert werden.

FAZIT:

Erzieher bei ihrer alltäglichen Arbeit zu unterstützen, ist durchaus ein löblicher Ansatz. Dennoch stellen sich 2 Fragen: Ist für die Lösung grundlegender Strukturprobleme in Kindertagesstätten ein zeitlich befristetes ESF-Programm ein geeignetes Mittel oder dient die Maßnahme eher der Bereinigung der Arbeitslosenstatistik. Und sind Langzeitarbeitslose wirklich in der Lage, die täglichen Herausforderungen in sozialen Einrichtungen zu meistern und sich eine nachhaltige berufliche Perspektive zu verschaffen?

 

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