Familienmediation in der Sozialen Arbeit
Mit Mediation konnten wir bis vor einigen Jahren noch nicht viel anfangen, denn wir haben „Kraft unserer Wassersuppe“ ein eigenes Konfliktmanagement betrieben. Nichtsdestotrotz waren wir bei Streitigkeiten über den Rat von Freunden oder Vertrauten dankbar, die unsere Probleme meist völlig schmerzfrei aus anderer Perspektive betrachten.
Seither hat sich das Konstrukt „Familie“ wesentlich verändert. Neue familiäre Lebensformen, instabilere Beziehungen und zunehmende Individualisierung führen zum Rückgang oder Wegfall von familiären Traditionen und Werten, so dass innerfamiliäre Konflikte vermehrt den Bereich der Sozialen Arbeit berühren.
Mediation – konstruktive Konfliktlösung mit Win-win-Effekt
Heute hat sich die Mediation als professionelles Angebot fest etabliert und kommt als Vermittlungsverfahren dann zur Anwendung, wenn Streitparteien freiwillig bereit sind, ohne die Einbeziehung von Gerichten eigenverantwortlich und konstruktiv mit Hilfe von einvernehmlich, aber dennoch bindenden Vereinbarungen nach Auswegen aus ihren Konflikten zu suchen.
Mediation ist weder Therapie noch Rechtsberatung!
Neben der
- Wirtschaftsmediation (z. B. Konflikte innerhalb von Unternehmen, Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Kunden bei Gewährleistungsansprüchen, Reklamationen) und
- der Mediation im öffentlichen Bereich und der Verwaltung (z. B. Bürgerbeteiligung bei strittigen Bauvorhaben wie Autobahnen oder Stromtrassen) gilt die
- Familienmediation als gängiste Mediationsform.
Die Betroffenen schätzen übrigens an der Mediation neben dem Vermittlungsergebnis insbesondere die Vermeidung gerichtlicher Eingriffe und die Überschaubarkeit der entstehenden Kosten.
Familienmediation
Familiäre Streitigkeiten sind meist von hoher Emotionalität, verloren gegangenem Respekt, Unvernunft oder Schuldzuweisungen geprägt. Sie bergen damit einen besonderen sozialen Sprengstoff, dem in vielen Fällen mit Familienmediation deeskalierend begegnet werden kann.
In der Familienmediation spielen scheinbar unlösbare Auseinandersetzungen zwischen den Generationen, Paarkonflikte, Trennungen und Scheidungen, aber auch Umgangskonflikte mit Kindern (z. B. Regelung des Besuchsrechts in Patchwork- oder Adoptivfamilien) eine zentrale Rolle.
Insbesondere für Paare, die trotz Trennung von der Sorge um das Kindeswohl getrieben werden und dafür eine tragfähige Elternbeziehung anstreben, lohnen sich Mediationsverfahren, die abweichend von juristischer Rechtsprechung und in Anpassung an ihre individuelle Lebenssituation die Entwicklung geeigneter Kinderbetreuungs– und Berufsausübungskonzepte überhaupt erst möglich machen.
Auch bei Erbschaftsstreitigkeiten hat sich Mediation bewährt, da diese den Erhalt gewachsener familiärer Bindungen und Vermögenswerte in den Vordergrund stellt anstatt materiellen und emotionalen Ansprüchen mehr Raum als notwendig zu geben.
Familiäre Konflikte – das wissen wir alle aus eigener Erfahrung – können eine Reihe subjektiv bewerteter Ursachen haben. Dabei überlagern unterschiedliche Sichtweisen, Wut, Ärger, gekränkte Eitelkeit, aufgestauter Frust, Hassgefühle, Befindlichkeiten oder Angst die Akzeptanz bestehender Streitfragen (z. B. Unterhalt, Taschengeld, Rentenanwartschaften, Erbschaften) und behindern damit eine rasche Beziehungsklärung.
Bereits länger schwelende oder ausufernde Konflikte erschweren den Mediationsprozess, weil es den Streitparteien zunehmend an Sachlichkeit fehlt anstatt konstruktiv nach möglichen Lösungen zu suchen. Dabei könnte eine respektvolle Verständigung und faire Kompromisse nicht nur zur Klärung der Hauptstreitpunkte beitragen, sondern auch belastende Emotionen weitgehend glätten.
Soziale Mediationsverfahren
Mediationsprozesse, auch die der Familienmediation, bestehen meist aus fünf Phasen:
- Phase 1: Abschluss eines Arbeitsbündnisses und Verfahrensvereinbarungen
- Phase 2: Bestandsaufnahme und Feststellung der zu regulierenden Themen
- Phase 3: Interessenssuche der Medianten und Konfliktbearbeitung
- Phase 4: Erarbeitung und Bewertung von möglichen Lösungsansätzen
- Phase 5: Mediationsvereinbarung mit Lösungsbeschreibung
Mediation basiert in der Regel nicht auf einer schuldzuweisenden Ursachenforschung für die bestehenden Probleme, sondern blendet diese weitgehend aus, um gezielt und intensiv mögliche Alternativen für den zukünftigen Lebensweg der Streitparteien aufzuzeigen.
Die Rolle des Mediators
Mediatoren agieren grundsätzlich nicht als Richter oder Anwälte, sondern als Begleiter und Vermittler. Sie arbeiten während familienmediativer Prozesse darauf hin, gegenläufige Interessen und Bedürfnisse von Familienmitgliedern zu erfassen, gleichberechtigt zu behandeln und mit Verhandlungsgeschick, Empathie und Fingerspitzengefühl in möglichst kurzer Zeit zu einem fairen Ergebnis für beide Seiten zu führen.
Mediatoren sind während des Mediationsverfahrens zur Neutralität, Allparteilichkeit, Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet. Nur so gelingt es, z. B. familiäre Beziehungen vorurteilsfrei zu analysieren und neu zu gestalten, über finanzielle Rahmenbedingungen zu verhandeln und damit die eigenverantwortliche Suche der Betroffenen nach akzeptablen Lösungswegen zu befördern.
Die persönliche Sicht von Mediatoren spielt in diesem Prozess keine Rolle.
Mediation ist mehr als nur Beratung
Familienmediationsprozesse werden heute oft durch unterstützende und therapeutische Interventionen, die aktive Begleitung bei Trennungen oder Coaching flankiert. Zudem rücken auch allgemeine innerfamiliäre Differenzen, die anfangs nicht im Vordergrund der Familienmediation standen, in den Blickpunkt.
Wenn sich am Ende des Mediationsverfahrens beide Konfliktpartner als Gewinner fühlen, gelingt es meist besser, die geschlossenen Vereinbarungen umzusetzen und den Familienmitgliedern für zukünftige Herausforderungen ausreichend Stabilität zu verleihen.
Freiwillige Familiengerichtsbarkeit
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG, auch Familienverfahrensgesetz) im Jahr 2009 können nun Gerichte empfehlen (anordnen), dass etwa Ehepaare bei Sorge- und Umgangsrechtskonflikten an einem kostenfreien Informationsgespräch mit einem dafür benannten Mediator bzw. Stelle teilnehmen oder Mediation als mögliche Alternative zur Beratung nutzen.
Grenzen der Familienmediation
Familienmediation kann in vielen familiären Konfliktsituationen ein geeignetes Mittel sein. Wird diese aber durch Gerichte oder Jugendämter empfohlen, steht ggf. die Freiwilligkeit – einer der wichtigsten Prinzipien der Mediation – in Frage. Darüber hinaus sind nicht alle Konfliktparteien gewillt und in der Lage, sich Mediationsverhandlungen zu stellen und für positive Lebensveränderungen zu nutzen. In diesen Fällen werden etwa scheidungsrelevante Sachverhalte wie Unterhalt, Besuchsrecht oder Rentenpunkte durch das Gericht entschieden.
Gut zu wissen
Für die betroffenen Konfliktpersonen ist die Finanzierung der Mediation ein wesentlicher Aspekt. Daher sollten sich Betroffene im Rahmen der Klärung der Verfahrenskosten rechtzeitig und umfassend zu diesem Thema informieren.
Die Finanzierung von Mediationsprozessen erfolgt entsprechend des Zeitumfangs in festen Stundensätzen und auf Basis der entstehenden Sach-, Betriebs- und Personalkosten. Wer von den Medianten welche Kosten zu tragen hat, sollte bereits am Anfang des Mediationsprozesses einvernehmlich ausgehandelt werden.
Eine Kostenübernahme durch Träger von Sozialleistungen oder Behörden der Justiz erfolgt in der Regel nicht. Allerdings engagieren sich mittlerweile einige Rechtsschutzversicherungen für die Mediation als Konfliktlösungsverfahren, so dass dem Versicherungsnehmer die Auswahl des Mediators und der Mediationsform (telefonisch oder persönlich) obliegt.
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